Tschinte Rogatschnig / Schank zum Reichsapfel: „Die Leute kommen in mein Wohnzimmer, und ich bin ger
Das uralte Haus am Karmeliterplatz mit dem auffallenden Hauszeichen wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen, ein klarer, spätsommerlicher Windstoß bläst mich in die „Schank zum Reichsapfel“, urig-gemütlich ist es hier und sehr angenehm nicht modisch.
Unsere Küche, unser Lokal, unser Stil ist zeitlos, da wird sich nie was ändern, und das mögen unsere Gäste“, Tschinte Rogatschnig lächelt entspannt, während draußen in der krisengebeutelten Stadt der Kampf um jeden einzelnen Gast tobt. Vermutlich ist diese, hier allgegenwärtige Gelassenheit auch mit ein Grund, warum ich mich hier gleich wohl fühle.
Und vielleicht auch ein bisschen, weil es hier so gut nach ofenfrischem Bradl duftet. Täglich steht Rogatschnig dafür stundenlang neben dem Herd, denn der Kümmelbraten ist ganz sein „Baby“: „Meine Frau Barbara ist für viele andere Schmankerln und die Nachspeisen zuständig. Sie ist eine echte Autodidaktin, hat sich alles von meiner Mutter, befreundeten Köchen und mir abgeschaut, und kocht jetzt nach 3 Jahren schon besser als ich, sie erfindet so viel am Herd, ich muss sie einfach loben“, Tschinte Rogatschnig kommt ein bisschen in´s Schwärmen und stellt eine Kostprobe von Barbaras Talent vor mich hin – eine fluffige Topfen-Obers Creme mit Pfirsichragout. Wunderbar.
Barbara Rogatschnig ist es auch, die erzählt, was am Lockdown so schlimm für alle war: Das Fehlen der lieben Gesichter, das Vermissen der Stammgäste, von denen einige auch Freunde geworden sind. “Da merkt man erst, worum es eigentlich geht.“
Der Reichsapfel ist also ein waschechtes, dennoch harmonisches Familienunternehmen, der 18-jährige Sohn wollte schon als Knirps Koch werden, ist jetzt mit der Lehre fertig und plant ein Jahr lang mit den Eltern zusammen das Gasthaus zu führen. Alex, der tiefentspannte Kellner, ist gelernter Sommelier, und ergänzt das Team perfekt.
Wobei das Gasthaus auch ein Heuriger ist und ein Kärntner Wirtshaus eben auch. Neben Heurigenklassikern wie Bradl und Blunzn finde ich Kärntner Fleisch- und Kasnudln, und Vegetarisches mit Linsen auf der Karte.
Tschinte bemerkt meinen Blick. „Wir haben alles von der Sau, aber eben auch anderes “, lacht er.
Kellner, Geschäftsführer, Event-Gastronom, Hoteldirektor – es gibt wenige Bereiche, in denen der gebürtige Villacher in seinen 36 Jahren in der Gastronomie nicht Erfahrung gesammelt hat.
Die stabile Basis für sein Leben als Gastronom lieferte ein Tourismus-Management Studium, das Konzept für sein erstes eigenes Wirtshaus ist ebenso bodenständig wie anspruchsvoll.
Im Reichsapfel wird saisonal und regional gekocht, „Das hat etwas mit Vertrauen und Qualitätsbewusstsein zu tun, wir kochen für unsere Gäste nur das, was wir selbst essen würden, es gibt keine TK-Produkte, kein Glutamat, alles ist frisch und bio, ganz natürlich, wie in meiner Kindheit im Gailtal“.
Das Fleisch stammt von Nötsch medikamentenfrei im Freien gehaltenen Schweinen aus Puchberg am Schneeberg, die Würstel, der Speck und das Geselchte vom Peter Smole in St. Stefan im Gailtal. Der Schnaps, oder besser, edler Obstbrand, ist eine spezielle Edition, die Gölles eigens für den Reichsapfel abfüllt. Und das doppelt gebackene Schwarzbrot, ein „wunderbar einfaches und zugleich würziges, richtiges Bauernbrot“ bäckt Thomas Frühbauer (Patisserie 23) nach einem alten, original Kärntner Familienrezept.
Das Reichsapfel-Rezept scheint aufzugehen, auf Facebook schwärmen Gäste vom „besten Kümmelbraten Wiens“, dort finde ich auch ein Video, in dem ein Fan das Krachen der berühmten Kruste durch herzhaftes Reinbeissen demonstriert.
Die heimelige Wirtshauseinrichtung haben die beiden genau so vorgefunden. „Der Hausbesitzer wollte, dass alles so bleibt, und dass auch das Konzept zum Haus passt, und hat sich schließlich für uns entschieden. Dass der Reichapfel im Namen vorkommt, war eine der Auflagen“. Was sich als überraschende Hürde herausstellte, wurde den beiden anfangs nämlich absurderweise unterstellt, hier ein „Nazi“-Wirtshaus eröffnet zu haben.
Ich nehme einen Schluck vom wunderbar frischen Gemischten Satz vom Kroiss (Sievering) und wundere mich über die geerdete Energie und Tatkraft, die die beiden Wirtsleute ausstrahlen.
Denn auch hier gibt es Missverständnisse und manchmal kommt gastseitig kritisches Feedback.
„Ich mag Kritik, weil man dann handeln kann, und besser wird man auch, ich geh dann immer gleich direkt zum Gast, und wir reden, das bringt alles in´s Lot.“
Der erklärte Zufluchtsort des Nichturlaubers, „meine Frau fährt jedes Jahr für 2 Wochen an einen See in Kärnten, ich bleibe hier, das ist Urlaub für mich“, ist der Hofgarten hinter dem „Reichsapfel“. Wenn man verbotenerweise durch die Küche gehen würde – was man als Gast natürlich nicht tut – dann würde man in einen romantischen Hof eintauchen, mit Kletterrosen, antikem Wasserspeier und auch sonst viel spätbarockem Charme. Hier liegen auch die beiden Ferienwohnungen, die der Hauseigentümer vermietet. Bei Interesse helfen Barbara & Tschinte gerne bei der Vermittlung. Ein absoluter Geheimtipp, super ruhig, historisch, romantisch, und quasi mitten in der Stadt.
Tschinte Rogatschnigs größter Schatz? „Meine Mutter, die mich inspiriert, mit 85 immer noch täglich kocht, meine Frau, mein Sohn, und meine Ruhe:“
Was ihm das Liebste ist? „Jeden Tag das Lokal aufzusperren, es ist mein Wohnzimmer, meine Existenz, mein Arbeitsplatz.“
Am Nebentisch beißt eine junge Frau genüsslich in ein Stück Schwarte – und es kracht.
Kontakt: Karmeliterplatz 3, 1020 Wien
Fon: +43 1 212 25 79
Dienstag - Samstag 16 bis 24 Uhr Montag, Sonn- und Feiertage geschlossen
Mail: schank@zumreichsapfel.at Web: zumreichsapfel.at
Comments